schwebend_Zeichnung auf Malerei
Öl/Stift auf Leinwand
Zum Werk :
Dr. Dorothée Willert Bauerle, Kunsthistorikerin :
Vulkane faszinieren. Es sind Berge mit einem äußerst wechselhaften Charakter. Die meiste Zeit ihres Lebens sind sie so ruhig und friedlich wie andere Berge. Aber urplötzlich werden sie aktiv. Dann sprengen sie in einer gewaltigen Explosion ihre Krater frei, bringen Verderben – und neue Fruchtbarkeit der Erde. In der römischen Mythologie gilt Vulkan in der Schmiede als der Ursprung „aller Erfindungen und aller Produktion“: Vulkan kreiert und produziert mit „calor immodicus“ (unbändiger Hitze) alle Formen der Natur. Im 18. Jahrhundert rückte der Vulkan ins Zentrum des kulturgeschichtlichen Interesses. Vulkane sind nun Anlass zu theologischen und philosophischen Diskussion über die Vorsehung in der Natur; Vulkanphänomene werden zum Objekt der Forschung und zum Prüfstein in den erdgeschichtlichen Debatten. So ließ beispielsweise Sir William Hamilton, Botschafter Großbritanniens am Hof zu Neapel, ein Vesuv-Tagebuch führen. Der »volcano lover« beobachtete den Berg wie einen Patienten auf dem Krankenlager, und es gelang ihm eine Diagnose, die auch heute noch gilt: Vulkane sind rezente Produkte der Erdgeschichte, »Enkel der Schöpfung«, nicht deren Gründungstat. Wissenschaftler diskutierten am Gegenstand des Vesuv die großen Theorien über Bau und Geschichte der Erde: Sie begriffen diese als Körper, in dessen Adern untergründige Winde und Wässer bald fließen, bald toben. Und in der bildenden Kunst wird der eruptierende Vulkan von nun an eins der wichtigen Modelle des Erhabenen. Destruktion und Konstruktion sind in der Methaper des Vulkans verschwistert. Kunst ist Energie, Ausdruck, Ausbruch. Die Macht der Natur verwandelt sich in kreative Kraft, im Augenblick des künstlerischen Ereignisses.
Christoph Tannert | Direktor Kunsthaus Bethanien, Berlin
Zuzanna Skiba ist freilich keine Schwarzmalerin, sondern eher eine fundamental denkende Formenverdichterin, die ihre Sprache über das Stadium der Reife hinaus mehr und mehr radikalisiert. Die Farbe Schwarz, zuweilen in ein samtenes Schwarzbraun übergehend, ist diesbezüglich mit einem Prozess der Transformation verbunden. Sie lässt sich als Mittel zur Grenzüberschreitung deuten - vom Materiellen zum Spirituellen, vom Bewussten zum Unbewussten. Dieses Nicht-Wissen als eine Form von Reinigung wiederum ist Voraussetzung für einen Wandel. "Shut your eyes and see", heißt es bei James Joyce im ersten Kapitel seines „Ulysses“.
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zur Werkserie, FRANZ KAFKA : fortwährend
Kafkas Werk liegt mir sehr nah. Philosophisch, geistig, wie visuell. Seit 25 Jahren arbeite ich an surrealen Landschaften, die stets aus der kartographischen Distanz der Vogelperspektive geformt werden. Die immer wiederkehrende Sehnsucht, die beim Eindenken einer ungeahnten landschaftlichen Herausforderung sich formt, wird durch ein metaphorisches arbeitendes Magnetfeldes in meinem Werk wiedergegeben. Dieser Ansatz führt mein künstlerisches Werk zu Kafkas Literatur. Die Distanz und Nähe ist in meiner Arbeit, wie auch in Kafkas der Antrieb für das Werk. Daraus resultiert ein Gedanken-konstrukt einer abstrakten, stets schwebenden im Dunkeln gebettete Welt, die eine grenzenlose immer wieder und weiter-denkende Struktur darstellt. In Kafkas Erzählungen ist die Beschreibung eines charakteristischen immer wiederkehrende geschilderten Gefühls-zustandes wie eine Metapher einer mentalen inneren Karte, die auf äußere, dunkle Umstände aufmerksam macht _stark ausgeprägt.
Das Buch AMERIKA, wie auch DAS SCHLOSS, wo es um das Begreifen einer ländlichen Situation geht, wie z.B. als Landvermesser, Landstreicher oder Neuling in einem fremden Land ohne genaue Koordinaten geht es immer wieder um das Scheitern, um das Selbst _Betrachten, Drehen und doch nicht weiter kommen. Das Scheitern durch die andauernde Passivität der literarischen Hauptperson bleibt der Weg zum Weiterkommen im Erdachten stecken. Und der aufgezwungene, neue amerikanische Kontinent wird als ungeahnt bedrohlich für den Hauptdarsteller von AMERIKA : Karl Roßmann. Der Ursprung eines erzwungenen Neubeginns durch seine Familie entpuppt sich als eine nur erdachte Hoffnung. Die beginnende Dunkelheit im Buch, ob beim Heizer oder die nächtliche Überfahrt auf dem Schiff stellt die verträumte nicht greifbare Welt des neuen Lebens für Karl dar. Dies setzt sich nah zu fort und führt tatsächlich nie ganz zu Lösungen, gar ans Licht. All seine Bemühungen scheitern.
Resümee : Wenn es kein Entkommen aus der Welt gibt, ist es doch möglich, mit und in der künstlerischen Arbeit Elemente, die Bedingungen, die diese Welt beherrschen und von ihr geschaffen werden, präzise aufzudecken. Mein ausgewähltes Werk zur Kafkas AMERIKA wird dadurch möglich, dass es die vielschichtige Komplexität der Dunkelheit, wie des Leidens von Karl Roßmann verwirklicht und über die Repräsentation eines Landes des Versprechens in die Macht der ständigen nächtlichen Irritationen verwandelt.